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Umwelt-Bibliothek Berlin (UB)
Gegründet am 2.9.1986, aufgelöst im Dezember 1998

Die Umwelt-Bibliothek Berlin (im Folgenden "UB") stand in der Tradition der osteuropäischen fliegenden Universitäten, alternativer Bildungseinrichtungen in Privatwohnungen. Unter dem verschärftem Sicherheitsregime in der DDR konnte eine solches halböffentliches Lese-, Vortrags und Ausstellungszentrum nur im Freiraum der Kirche verwirklicht werden. Ideengeschichtlich kam die UB aus der basisdemokratischen Friedens-, Umwelt- und 3.-Welt-Bewegung der DDR und versuchte durch Verbindung dieser Themen und darüber hinaus durch Information aus allen vom Regime tabuierten Bereichen das staatliche Informationsmonopol zu brechen.

Die UB fand 1986 unter dem Schutz von Pfarrer Simon im Keller der Zionskirchgemeinde in Berlin Prenzlauer Berg geeignete Räume. In der Bibliothek konnten in einer Präsenzbibliothek Bücher, Broschüren, Infohefte zu den genannten Themen gelesen werden. Die UB-Galerie war ein Ausstellungsraum, in dem Gemälde und Plastiken staatlich unterdrückter Künstler zugänglich gemacht wurden. In den gleichen Räumen fanden auch Vorträge, Videovorführungen und Konzerte statt. Die hablegale Zeitschrift "Umweltblätter" wurde bis 1989 das bedeutendste und verbreitetste Informationsblatt der DDR-Opposition - freilich wegen der nur zur Verfügung stehenden Wachsmatrizendrucker in einer winzigen Auflage von zuletzt 5000 Exemplaren.

Bekannt wurde die UB in der ganzen DDR, als die Staatssicherheit in der Nacht vom 24. zum 25. November 1987 die Einrichtung überfiel und zwei Mitarbeiter verhaftet wurden . In einer landesweiten Solidaritätskampagne, begleitet von internationalem Medienecho gelang es, die Mitarbeiter zu befreien und der UB einen vom Regime geduldeten Freiraum zu erkämpfen. Die UB wurde zum öffentlichen Symbol für den Erfolg von Widerstand gegen das Regime.

In den Jahren bis zur Wende ist die Bedeutung der UB insbesondere in der informationellen Vernetzung und den zahlreichen Veröffentlichungen zu sehen. In der Wende organisierten die Mitarbeiter der UB die Mahnwache in der Ostberliner Gethsemanekirche. Die Zeitschrift "telegraph"war für die Zeit bis zum Dezember 1989 der einzige unabhängige Berichterstatter über den Umbruch in der DDR. Im Herbst 1990 beteiligte sich die UB an dem Hungerstreik und der Mahnwache in der Stasizentrale, mit der das Stasiaktengesetz erkämpft wurde.

Insgesamt nahm die Bedeutung der UB aber in der Wende gegenüber den Bürgerbewegungen ab. In den folgenden Jahren machte die UB, zum Verein und ABM-Projekt geworden, nur noch wenig von sich reden, bei der Organisierung der Schiffsbesetzung in Peenemünde zu Verhinderung des Verkaufs von DDR-Kriegsschiffen an die indonesische Militärdiktatur oder bei Aktionen gegen die russische Intervention in Tschetschenien. Im Dezember 1998 mußte die UB aus finanziellen Gründen aufgelöst werden.

Aus den Reihen der Mitarbeiter der Umwelt-Bibliothek entstanden 1990 eine Druckerei und ein Fahrradladen und 1991 das Matthias-Domaschk-Archiv, das heute bedeutendste Privatarchiv zur Oppositionsgeschichte der DDR. Auch die Zeitschrift "telegraph" gibt es noch, in einer winzigen Auflage und mit neuen Mitarbeitern mittlerweile, fern von den Ideen der DDR-Oppositionsgruppen, im linksradikalen Spektrum angesiedelt.